Digitalkultur in der Verwaltung – ein Fellowship bringt neue Perspektiven

Typ: Interview , Datum: 11.04.2025

aktuelles Zitat:

"Ich habe erlebt, was möglich wird, wenn ein Referat neue Wege geht: klare Ziele, neue Rollen, agile Methoden und echte Zusammenarbeit – das bringt der Verwaltungsdigitalisierung den Schub, den sie braucht."

Lisa Portmann ist Digitalstrategin und Organisationsentwicklerin. Die studierte Betriebswirtin und zertifizierte Coachin war vor ihrem Einsatz im Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) u. a. als Head of Business Agility bei Mobimeo, einem Tochterunternehmen der Deutschen Bahn, sowie als Unternehmensberaterin bei IBM im Bereich Digital Strategy & Transformation tätig. Sie begleitet Organisationen in Phasen des Wandels – mit Fokus auf agile Transformation, Team- und Kulturarbeit sowie die Entwicklung wirksamer digitaler Produkte.

Portrait Lisa Portmann

Woher kam die Motivation, am Work4Germany Fellowship teilzunehmen?

Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit – und genau hier wollte ich einen Beitrag leisten. Das Work4Germany Fellowship bietet seit 2020 methodenstarken Expertinnen und Experten aus der Privatwirtschaft die Möglichkeit, gemeinsam mit Mitarbeitenden aus Bundesministerien an digitalen Transformationsprojekten zu arbeiten. So konnte ich nicht nur tiefere Einblicke in die Abläufe, Strukturen und Kultur eines Ministeriums gewinnen, sondern auch Methoden der agilen und nutzendenzentrierten Arbeit einbringen, um digitale Produkte effektiver zu entwickeln und neue Arbeitsweisen in der Verwaltung zu verankern. Gerade diese Kombination hat mich besonders begeistert.

Wie hat Ihre Arbeit als Fellow im Bundesministerium des Innern und für Heimat ausgesehen?

Während meines Fellowships habe ich das Projektteam des Bundesportals im Referat DV II 3 in einer entscheidenden Umbruchphase - dem Übergang vom Entwicklungsprojekt hin zum nachhaltigen Produkt - begleitet. Zunächst lag mein Fokus auf strategischen und inhaltlichen Fragestellungen, um ein klares Produktverständnis zu definieren, Erfolgskriterien festzulegen und die Zusammenarbeit mit Dienstleistern zu optimieren. Die größte Veränderung fand im Team selbst statt: Gemeinsam haben wir Strukturen für eine effektivere Teamzusammenarbeit im Referat geschaffen. Konkret führten wir agile Methoden wie Kanban zur Aufgabenorganisation ein, etablierten Retrospektiven zur kontinuierlichen Reflexion und Verbesserung der Zusammenarbeit und gestalteten bestehende Austauschformate neu. Durch gezielte Workshops, Coachings und Schulungen konnten die neuen Arbeitsweisen nachhaltig verankert werden. 

Was waren aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen?

Auf operativer Ebene empfand ich den Mangel an modernen IT-Tools für die hybride Zusammenarbeit als herausfordernd – ebenso wie das anspruchsvolle Tagesgeschäft der Referatsmitglieder, das wenig Raum für Strategiearbeit und einen strukturierten Ausbau der Teamkultur und -prozesse lässt.

Auf struktureller Ebene wurde mir bewusst, wie schwierig es ist, gute digitale Produkte in der Verwaltung wirksam weiterzuentwickeln. Statt zentraler Vorgaben gibt es viele unverbindliche Empfehlungen, die Landschaft ist durch zahlreiche eigenständige Fachportale stark zersplittert und im Föderalismus-geprägten System fehlen bisweilen die richtigen Anreize für eine gemeinschaftliche, effektive Umsetzung. Diese Rahmenbedingungen erschweren es, digitale Verwaltungsangebote konsequent nutzendenfreundlich und zukunftsfähig zu gestalten.

Was sind Ihre Highlights und Learnings aus der Zeit im BMI?

Ein prägendes Highlight war der Referatsworkshop Ende des vergangenen Jahres: Aus Sicht der Teilnehmenden war dieser ganz anders als jeder Workshop, den sie zuvor erlebt oder selbst organisiert hatten. Das Ergebnis war großartig: Der Workshop hat viel in Bewegung gesetzt, das Team auf einer menschlicheren Ebene zusammengebracht und ein neues Level an Zielklarheit und Abstimmung ermöglicht, insbesondere im Hinblick auf Abhängigkeiten zwischen Teams und den dort bearbeiteten Themen. Wir haben erlebt, wie es ist, gemeinsam Ziele zu setzen, zu reflektieren, Erfolge zu feiern und durch Feedback und Wertschätzung zu wachsen. So wurde nicht nur die Zusammenarbeit gestärkt, sondern auch die operative Umsetzung von Vorhaben erleichtert und eine gute Basis geschaffen, um den gemeinsamen Impact zu vergrößern.

Ein zentrales Learning für mich: Veränderungen gelingen am besten Schritt für Schritt. Es war wirkungsvoll mit dem zu arbeiten, was bereits da war, Bewusstsein zu schaffen und in kleinen iterativen Schritten voranzugehen. Die Arbeit mit Testphasen hilft dabei, bevor man gemeinsam entscheidet, welche Veränderungen wirklich sinnvoll sind. Und nicht zuletzt nehme ich viele wertvolle Verbindungen mit – zu Menschen, die mit Engagement und Überzeugung für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und die Zukunft unseres Landes arbeiten.

Was haben Sie innerhalb des Programms umgesetzt? Was wirkt nach?

Ein Erfolg des Fellowships zeigt sich für mich darin, sich als Team wirksam zu organisieren, auch unter wechselnden Rahmenbedingungen handlungsfähig zu sein und Gestaltungsspielräume als Hebel für Veränderung zu nutzen – all das sind zentrale Elemente nachhaltiger Veränderung. Den Samen dafür haben wir während des Fellowships gesät, und ich hoffe, dass diese Haltung die Menschen in jeglichen zukünftigen Settings und Veränderungsprozessen begleiten wird. Des Weiteren haben wir ein strukturiertes Aufgabenmanagement etabliert und die wöchentliche Referatsrunde neu ausgerichtet. Das fördert nicht nur die gemeinsame Ausrichtung, sondern auch Transparenz und Verbindlichkeit im Arbeitsalltag.

Auf der Arbeitsebene wirkt nach, dass wir gemeinsam Ziele mit messbaren Key Results definiert haben, an denen sich die Teams im Referat regelmäßig orientieren können. Gleichzeitig wurde deutlich, dass Zielarbeit an Grenzen stößt, wenn benachbarte und übergeordnete Einheiten nicht aktiv mitwirken. Umso mehr freut es mich, dass ein weiteres Work4Germany-Fellowship genau an diesem Punkt ansetzt und die Arbeit fortführt. Ich wünsche mir, dass auch andere Bereiche in der Verwaltung vergleichbare Möglichkeiten erhalten – denn mit der richtigen Haltung kann aus kleinen Impulsen echte Veränderung entstehen.

aktuelles Zitat:

„Der Wunsch unseres Referats war es, unsere Leistungsfähigkeit als Team maximal auszuschöpfen. Hierzu waren sowohl kollaborative als auch strukturelle Veränderungen nötig, die unser Fellow Lisa Portmann mit der Einführung neuer agiler Arbeitsweisen beschleunigt hat. Ohne ihr Methodenwissen und ihren Veränderungswillen wären wir heute nicht an diesem Punkt.“

Dr. Andreas Gehlert, Referatsleiter im Bundesministerium des Innern und für Heimat

Herr Dr. Andreas Gehlert, Referatsleiter im Bundesministerium des Innern und für Heimat

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