Das Bundesportal ist stilbildend für die Behördenmodernisierung
Interview 02.10.2020
In der Rubrik "Stimmen aus der Praxis" berichtet Mathias Bieneke über das Verwaltungsportal des Bundes (Bundesportal).
Sie selbst wollen ja mit dem Bundesportal den digitalen Fortschritt in die Verwaltung bringen. Was steckt hinter der Plattform?
Das Bundesportal als solches ist ein Teil des Portalverbundes von Bund, Ländern und Kommunen. Und in diesem Verbund spielt es eine zentrale Rolle. Zum einen können sich Bürgerinnen, Bürger oder Unternehmen hier über alle Verwaltungsleistungen informieren, die Bund, Länder und Kommunen anbieten. Da geht es um Fragen wie "Wo muss ich mich hinwenden?" oder "Was brauche ich, um bestimmte Services in Anspruch zu nehmen?". Zum anderen bietet das Bundesportal die Verwaltungsdienstleistungen aber auch online an - damit man eben nicht mehr ins Amt gehen und lange warten muss.
Genau dafür haben das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und die Bundesdruckerei eine Fertigungsstraße aufgebaut – ein Angebot aus dem Digitalisierungsprogramm des Bundes. Der Begriff klingt ein bisschen nach Ausweisproduktion...
Mit klassischen Produktionsprozessen hat das natürlich wenig zu tun. Die Fertigungsstraße richtet sich an alle Behörden, die Verwaltungsverfahren und Papierformulare digitalisieren, sich dabei aber den Aufwand für die technische Umsetzung ersparen wollen. Möchte beispielsweise eine Behörde das Angebot in Anspruch nehmen, übermittelt sie der Bundesdruckerei alle fachlichen Vorgaben für den jeweiligen Antragsprozess: Welche Daten gilt es zu erheben? Kann man den Antrag nachträglich ändern oder gar zurückziehen? Muss der Antragsteller ihn vollständig ausfüllen oder darf er etwas nachreichen? Lässt sich das Dokument elektronisch unterschreiben? Braucht es eine Bezahloption? Alles in allem kann die Behörde zwischen vielen Bausteinen wählen, die unsere Fertigungsstraße dann in ein Online-Formular integriert. Gibt sie dieses frei, landet es auf dem Bundesportal. Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen können es dann bearbeiten, es versenden und die Leistung digital bezahlen. Die Behörde hat keinen technischen Aufwand, muss sich aber natürlich organisatorisch auf den elektronischen Prozess einstellen.
Das heißt, das Bundesportal befreit die Behörden zwar von Bürokratie, bringt ihnen aber neuen Aufwand, weil sie sich umstellen müssen?
Das ist der Kern einer Transformation. Wir wollen eine Entwicklung hin zu mehr digitalen Anträgen. Doch dafür braucht es Zeit - weil die Ämter ihre Prozesse nicht mit einem Mal, sondern in mehreren Schritten anpassen. Die Fertigungsstraße kommt ihnen dabei entgegen. Zum Beispiel kann eine Behörde entscheiden, einen Antrag nur digital entgegenzunehmen, während alle Folgeschritte zunächst wie gehabt weiterlaufen und peu à peu digitalisiert werden. Dennoch bleibt unser großes Ziel, bis Ende 2022 sämtliche Leistungen in den sogenannten Reifegrad drei zu bringen. Dieser ermöglicht, Bescheide online zuzustellen und darüber hinaus die Zahlung elektronisch abzuwickeln.
Also werden sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Behörden langfristig über Beschäftigungslosigkeit beklagen?
Auf keinen Fall. Allein die letzten Monate haben unzählige neue Anträge zutage gefördert. Und ein digitales System wird nie die Entscheidung einer Beamtin oder eines Beamten ersetzen. Arbeit wird genug bleiben. Allerdings wird sie einfacher und die Beamten können sich auf die wirklich wichtigen Themen konzentrieren.
Oftmals helfen die Beamten vor Ort den Antragstellern beim Ausfüllen besonders komplexer Formulare. Ist der Bürger auf dem Bundesportal auf sich allein gestellt?
Im Gegenteil. Der Antragsteller bekommt auf drei unterschiedlichen Wegen Hilfe. Erstens über das Formular selbst, das möglichst selbsterklärend sein soll. Zweitens gibt es die Möglichkeit, unvollständige Anträge an die Behörde zu übermitteln, um zumindest das Verfahren zu eröffnen. Das Amt tritt dann mit dem Bürger in Kontakt, kann Rückfragen stellen. Der dritte Ansatzpunkt: Wir bauen gerade ein Servicecenter auf, das über eine Hotline oder per E-Mail Unklarheiten beseitigen soll.
In Umfragen zum Thema E-Government kommen immer wieder Sicherheitsbedenken zum Tragen. Können Sie die Deutschen mit Blick auf das Bundesportal beruhigen?
Sicherheit ist bei uns intrinsische Motivation. Unsere Anforderungen an eine solche Plattform sind auf jeden Fall ungleich höher als in der Wirtschaft. Die Rechenzentren des Bundes, über die wir das Portal betreiben, sind beispielsweise noch mal mit einem ganz anderen Geheimschutz ausgestattet als gewöhnlich und werden vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) überwacht. Zudem lassen wir unsere organisatorisch-technischen Sicherheitsvorkehrungen auditieren.
Sie haben bei der re:publica den Begriff "Privacy by Design" benutzt. Was hat es damit auf sich?
Vielleicht ist allgemein "Datenschutz by Design" besser verständlich. In der freien Wirtschaft ist bei der Datenerfassung vereinfacht gesagt alles erlaubt, was nicht explizit verboten ist. In der behördlichen Welt dreht sich die Sichtweise komplett um. Hier ist alles verboten, was nicht explizit erlaubt ist. Und das sollte sich im Entwicklungsprozess widerspiegeln. Ich habe einige Digitalprojekte in der Verwaltung erlebt, bei denen man das Thema Datenschutz erst zum Schluss anging. Meist kam es deswegen zu sechs bis zwölf Monaten Verzug. Genau das vermeiden wir beim Bundesportal, indem wir unser Bundesdruckerei-Datenschutz-Team, den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) sowie den behördlichen Datenschutzbeauftragten des BMI von vornherein einbezogen haben, schon vor Beginn der technischen Umsetzung.