Fünf bittere Lehren aus einer schwierigen Zeit
Namensartikel 17.12.2020
Das Jahr 2020 hat aus Sicht der digitalen Verwaltung wichtige Fortschritte gebracht. Warum Ernst Bürger dennoch nicht zum Jubeln zu Mute ist, lesen Sie in seiner persönlichen Jahresbilanz.
"Corona als Katalysator für die Digitalisierung" – wie oft haben wir diese Schlagzeile im Pandemie-Jahr 2020 gelesen. Auch ich habe im Frühjahr an dieser Stelle dafür plädiert, die Krise als Chance zu sehen, die Digitalisierung nachhaltig voranzubringen.
Inzwischen zeigt sich, dass die Covid-19-Pandemie eine viel größere und anhaltendere Herausforderung für uns ist als damals erwartet. Dennoch haben wir versucht, zumindest im Bereich der Digitalisierung, aus der Not eine Tugend zu machen. Gemeinsam haben sich Bund, Länder und Kommunen ihrer Verantwortung gestellt.
Allein in meiner Abteilung arbeiten 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jeden Tag daran, die Digitalisierung voranzubringen. Mit Projekten wie dem Corona-Konjunkturprogramm, zahlreichen digitalen Unterstützungs- und Soforthilfeprogrammen und über 300 verfügbaren OZG-Leistungen haben wir in diesem Jahr viel erreicht. Auch die Debatte rund um die Corona-Warn-App und die Anteilnahme der Bevölkerung daran war wichtig, ebenso die wieder aufkeimende Diskussion über erweiterte Features. Über 20 Mio. Downloads sind daher ein beachtliches Ergebnis, das für eine eventuelle Weiterentwicklung optimistisch stimmt.
Zum Jubeln ist mir dennoch nicht zu Mute, dafür sind die Umstände zu schwierig, unter denen diese Fortschritte erzielt wurden.
Ich sehe es als unsere Pflicht, weiterhin alles dafür zu tun, um die Menschen und Unternehmen zu entlasten und den Staat für künftige Krisen besser aufzustellen. Hier sind meine fünf wichtigsten Erkenntnisse, die wir in 2020 gesammelt haben und ins nächste Jahr überführen werden.
1. Seit diesem Jahr gilt: Digital zuerst.
Digitalisierung kann Leben retten. Das erleben wir gerade hautnah. In Zeiten von Corona kommt es auf eine arbeitsfähige Verwaltung an: Gesundheitsämter, die Infektionsketten rasch nachvollziehen, Behörden, die trotz Lockdowns und Kontaktbeschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen erreichbar bleiben und Unterstützungsleistungen verfügbar halten. Das geht nur digital!
In der Krise ist Digitalisierung daher kein 'nice-to-have', sondern ein 'must have'. Ab sofort gilt: Alle Verwaltungsleistungen müssen zuerst digital funktionieren, danach können analoge Alternativen erarbeitet werden. Das setzen wir bei Unterstützungsprogrammen wie der Überbrückungs- und November-Hilfe bereits tatkräftig um.
2. Digitalisierung geht nur gemeinsam
Für den Erfolg der Verwaltungsdigitalisierung ist ein pragmatischer Föderalismus entscheidend. Bund, Länder und Kommunen haben erkannt: Man muss das Rad nicht immer wieder neu erfinden. Bei der OZG-Umsetzung setzen wir daher gezielt auf die Nachnutzung bereits etablierter Lösungen. Das heißt auch: Offen sein für die Angebote anderer und eigene, lieb gewonnene Insellösungen aufgeben!
3. Bedürfnisse der Anwender ernst nehmen
Wenn wir wollen, dass die Menschen die digitalen Anwendungen nutzen, müssen sie intuitiv und einfach zu bedienen sein. Trotz Lockdowns und Kontaktbeschränkungen beteiligen wir die Bürgerinnen und Bürger weiterhin bei der Entwicklung von Leistungen in dezentralen Digitallaboren.
Ebenso wichtig ist es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung mitzunehmen. Corona hat die internen Abläufe und Prozesse radikal verändert. Heute arbeiten Tausende Angehörige der Bundesverwaltung flexibel von Zuhause, nehmen an virtuellen Konferenzen teil und bearbeiten Verwaltungsakte digital und online. Das klappt nur, wenn wir allen Kolleginnen und Kollegen das technische und fachliche Know-how zur Verfügung stellen und ihnen das notwendige Vertrauen entgegenbringen.
4. Schnelligkeit vor Perfektionismus
Wir müssen wegkommen vom Perfektionismus, wenn er uns davon abhält, das Wesentliche zu erreichen. Erinnern wir uns an das Paretoprinzip! Danach werden 80 % der Ergebnisse mit 20 % des Aufwands erreicht. Trauen wir uns, nicht perfekt zu sein, aber dafür Ergebnisse auf die Straße zu bringen! Dafür brauchen wir eine neue Kultur des Umgangs mit Fehlern und Unzulänglichkeiten.
Damit im Zusammenhang steht die Notwendigkeit, schneller zu werden bei der Umsetzung der Digitalisierung. Denn der technologische Wandel vollzieht sich mit rasender Geschwindigkeit – der Standard von heute ist morgen schon überholt. Nur wenn wir schneller werden, können wir Schritt halten. Work in Progress und Prototyping lauten die entscheidenden Begriffe.
5. Deutschlands Zukunft ist digital
Unsere Bemühungen sind von einem zentralen Ziel getragen. Deutschland für künftige Krisen widerstandsfähig zu machen. Das geht nur mit einer vollständig digitalisierten Verwaltung. Deshalb investiert die Bundesregierung jetzt in ihren beschleunigten Ausbau. Mehr als 3 Milliarden Euro stehen dafür bereit, ein großer Teil dieser Investitionen wird in 2021 wirksam. Damit wird die digitale Verwaltung im Alltag der Bürgerinnen und Bürger fest verankert. Meine Prognose ist: In Zukunft wird man sich so an die digitale Verwaltung in Deutschland gewöhnt haben, dass man sich gar nicht mehr vorstellen kann, dass es einmal anders war.